Freitag, 21. Januar 2005

Totale Überwachung des Zahlungsverkehrs ab April 2005

Totale Überwachung des Zahlungsverkehrs ab April 2005
Der geräuschlose TOD des Bankgeheimnisses.


Am 01.April 2005 löst sich das Bankgeheimnis in LUFT auf. Mit einem weitreichenden Gesetz hat Finanzminister HANS EICHEL dafür gesorgt, dass Steuerbehörden, Bafög-Amt, und Arbeitsämter die finanziellen Verhältnisse jedes Bürgers AUSSCHNÜFFELN dürfen ohne Anfangsverdacht, ohne richterliche Erlaubnis und ohne dass die Betroffenen je davon erfahren. Die Banken können nicht einmal feststellen ob Behörden die Konten ihrer Kunden abgefragt haben. Mit dem beispiellosen Gesetz, das am 01. April 2005 in Kraft tritt, will die rot-grüne Bundesregierung der Steuerhinterziehung endgültig den Garaus machen. Dazu hebelt die Regierung das ohnehin bereits arg durchlöcherte deutsche Bankgeheimnis vollständig aus. Dass bei der HOLZHAMMER-AKTION der Datenschutz und die rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeit unter die Räder kommen, nimmt Berlin in Kauf. Ab April 2005 erhalten die Finanzämter Zugriff auf die Kontodaten aller Bürger. Bei der Frankfurter Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht können sie dann jederzeit abfragen, wer wo Geld liegen hat. Der Abruf offenbart, welche Konten, Wertpapierdepots, Ander oder Treuhandkonten sowie Verfügungsberechtigungen ein Steuerzahler unterhält. Im Fachjargon wird diese Kontenübersicht als Stammdatensatz bezeichnet. Auch die Bank erfährt nichts. Denn die Behörden gehen direkt in die Computer der Banken, ohne dass diese das bemerken. Das ist ungefähr so, als wenn die Polizei einen Zweitschlüssel zu sämtlichen Wohnungen erhielte, mit der Begründung, jedermann könnte Besitzer von Diebesgut, illegalen Drogen oder Raubkopien sein. Nirgendwo im westlichen Europa hat der Staat vergleichbare Kompetenzen. Der renommierte Steuerrechtsprofessor und Anwalt GUNTER WIDMAIER hält den SCHNÜFFELPARAGRAPHEN für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
DAS MACHT DEN UNBESCHOLTENEN BÜRGER KAPUTT ! Der Jurist hat im Auftrag der im Kreis Borken ansässigen Volksbank Raesfeld
2 Verfassungsbeschwerden eingelegt. Auch der Norddeutsche Genossenschaftsverband macht gegen den Online-Zugriff mobil. Ein Gutachten, das die Vertretung der Genossenschafts- und Raiffeisenbanken bei dem Hamburger Rechtswissenschaftler ERICH SAMSON in Auftrag gegeben hat, kommt zu dem Schluss, dass die Regelung aus "vielfältigen Gründen als eindeutig verfassungswidrig anzusehen " ist. Dass der Bankkunde zu keinem Zeitpunkt von der AUSSPÄH-AKTION erfahre, verstoße gegen das Recht auf informelle Selbstbestimmung. Anders als die kleineren Institute halten sich Großbanken wie Deutsche Bank oder Commerzbank mit Kritik an der Aushöhlung des Bankgeheimnisses auffällig zurück. Möglicherweise sind sie zu eng mit dem System des Globalismus und Internationalismus verzahnt. Unklar ist beispielsweise, wie sich das Gesetz auf Geheimnisträger wie NOTARE auswirken wird. Letztere unterhalten für ihre Mandanten häufig so genannte Treuhand oder Anderkonten. Diese werden von den Juristen verwaltet, wirtschaftlich berechtigt ist aber der Mandant. Über die Existenz solcher Konten muss der Notar Stillschweigen bewahren, ansonsten macht er sich strafbar. Diese Vertraulichkeit ist demnächst nicht mehr gewährleistet. Über die KEZ Abfrage lässt sich problemlos herausfinden, wer bei wem Treuhandkonten unterhält. Der Vertrauensberuf NOTAR und auch andere Professionen werden ganz nebenbei schwer beschädigt. Wer Vertraulichkeit sucht, wird künftig einen Treuhänder oder Notar in einem Nachbarstaat Deutschlands in Anspruch nehmen müssen.
Was Finanzminister EICHEL ebenfalls freuen dürfte: die lückenlose Überwachung aller 500 Millionen Konten und Depots kosten den Staat praktisch nichts. Die Kosten für die Online-Schnittstellen zur KEZ Datenbank müssen die Banken selbst tragen. Und das für die Informationsvergabe zuständige Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht wird ebenfalls zu 100 % von den Kreditinstituten finanziert.
Der Bankkunde zahlt seine Überwachung letztlich selbst !

Totalüberwachung des Zahlungsverkehrs

SPIEGEL ONLINE - 18. November 2004, 11:43
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,328199,00.html

Totalüberwachung des Zahlungsverkehrs

Der lautlose Tod des Bankgeheimnisses


Von Thomas Hillenbrand

Am 1. April 2005 löst sich das Bankgeheimnis in Luft auf. Mit einem weitreichenden Gesetz hat Finanzminister Hans Eichel dafür gesorgt, dass Fiskus, Sozialbehörden und Arbeitsämter die finanziellen Verhältnisse jedes Bürgers ausschnüffeln dürfen - ohne Anfangsverdacht, ohne richterliche Erlaubnis und ohne dass die Betroffenen je davon erfahren.

DPA
Steuerbescheid: Klandestines Schnüffelsystem ohne Kontrollen
Hamburg - Für Hans Eichel war im vergangenen Jahr schon am 19. Dezember Weihnachten. Kurz vor Heiligabend hatte der Bundestag noch hastig das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit durchgewunken und dem SPD-Politiker die wohl schönste Gabe beschert, die sich ein klammer Finanzminister wünschen kann: Den vollständigen und schrankenlosen Zugriff auf Konto- und Depotinformationen aller deutschen Steuerzahler.

Mit dem beispiellosen Gesetz, das in wenigen Monaten in Kraft tritt, will die rot-grüne Bundesregierung der Steuerhinterziehung endgültig den Garaus machen. Dazu hebelt die Regierung das ohnehin bereits arg durchlöcherte deutsche Bankgeheimnis vollständig aus. Dass bei der Holzhammer-Aktion der Datenschutz und die rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeit unter die Räder kommen, nimmt Berlin in Kauf.

Ab April 2005 erhalten die Finanzämter Zugriff auf die Kontodaten aller Bürger. Bei der Frankfurter Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) können sie dann jederzeit abfragen, wer wo Geld liegen hat. Der Abruf offenbart, welche Konten, Wertpapierdepots, Ander- oder Treuhandkonten sowie Verfügungsberechtigungen ein Steuerzahler unterhält. Im Fachjargon wird diese Kontenübersicht als Stammdatensatz bezeichnet.

Das von Eichels Juristen konzipierte Verfahren hätte sich George Orwell kaum besser ausdenken können: Einen konkreten Verdacht oder eine Begründung braucht der Fiskus nicht vorzuweisen. Der Bespitzelte muss zu keinem Zeitpunkt über die Schnüffelaktion informiert werden. Auch die Bank erfährt nichts. Denn alle Institute werden online vom der BaFin angezapft, die in einem Datenpool namens Konten-Evidenz-Zentrale (KEZ) tagesaktuell alle deutschen Kontodaten bereithält.

Beschwerde in Karlsruhe

Das ist ungefähr so, als wenn die Polizei einen Zweitschlüssel zu sämtlichen Wohnungen erhielte - mit der Begründung, jedermann sei mutmaßlich Besitzer von Diebesgut, illegalen Drogen oder Raubkopien. Nirgendwo im westlichen Europa hat der Staat vergleichbare Kompetenzen. Eichels System, schimpft denn auch ein Banker "ist das, was Stasi-Chef Mielke gerne gehabt hätte, sich aber nicht leisten konnte". Der renommierte Steuerrechtsprofessor und Anwalt Gunter Widmaier hält den Schnüffelparagraphen für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar: "Das macht den unbescholtenen Bürger kaputt." Der Jurist hat im Auftrag der im Kreis Borken ansässigen Volksbank Raesfeld zwei Verfassungsbeschwerden eingelegt.

Das Verdikt des höchsten deutschen Gerichts erwartet Widmaier Anfang 2005. Das Finanzministerium glaubt indes an die Verfassungsmäßigkeit seines Gesetzes. Schließlich sei der Entwurf von "Hunderten Juristen geprüft" worden, so ein Sprecher.

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Auch der Norddeutsche Genossenschaftsverband macht gegen den Online-Zugriff mobil. Ein Gutachten, das die Vertretung der Genossenschafts- und Raiffeisenbanken bei dem Hamburger Rechtswissenschaftler Erich Samson in Auftrag gegeben hat, kommt zu dem Schluss, dass die Regelung aus "vielfältigen Gründen als eindeutig verfassungswidrig anzusehen" ist. Dass der Bankkunde zu keinem Zeitpunkt von der Ausspäh-Aktion erfahre, verstoße gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die von Karlsruhe etwa im Rahmen eines Urteils zur Volkszählung von 1983 aufgestellten Anforderungen für eine Datenerhebung derartigen Umfangs würden "nicht im Ansatz erfüllt". Damals hatte das Gericht entschieden, dass der Staat nicht unverhältnismäßig viele Daten über seine Bürger sammeln darf.

Während der Fiskus ab April eine Liste der Konten (Stammdatensatz) jedes Bürgers anfordern kann, bleibt den Steuerbeamten der schrankenlose Zugriff auf einzelne Kontenbewegungen laut Gesetzestext weiter verwehrt. Um die einsehen zu dürfen, muss ein konkreter Verdacht vorliegen. Kathrin Berberich, Justiziarin des Norddeutschen Genossenschaftsverbandes, rechnet jedoch damit, dass auch diese weiterführenden Informationen nunmehr leicht einsehbar sind. "Die Beamten brauchen einen Verdacht, aber den können sie sich fortan ganz einfach stricken", so Berberich. Der Fiskus müsse nur ein Konto finden, dass nicht in der Steuererklärung auftaucht - das des Kegelclubs zum Beispiel. Schon läge ein Grund vor, alle Kontotransaktionen zu durchleuchten. "Bei solch laxen Anforderungen", schimpft Berberich, "können wir die Daten auch gleich auf die Straße legen".

Schweigen am Main

Anders als die kleineren Institute halten sich Großbanken wie Deutsche Bank oder Commerzbank mit Kritik an der Aushöhlung des Bankgeheimnisses auffällig zurück. Denn vordergründig dient das Gesetz schließlich dem Kampf gegen Geldwäscher und Terroristen - nur ungern möchten die Banker den Eindruck erwecken, dass sie bei diesem hehren Ziel mauern. Doch in Wirklichkeit hat Eichels Rundumschlag nichts mit der Jagd auf große Fische zu tun. Steuerfahnder und Bundeskriminalamt können bereits seit 2002 auf die KEZ-Datenbank zugreifen, wenn sie eine schwere Straftat vermuten.

Das Steuerehrlichkeitsgesetz eröffnet diese Möglichkeit nun dem Finanzamt sowie einer Reihe weiterer Behörden, die in der einen oder anderen Weise mit Einkommenssteuer und Lohnzettel zu tun haben. Auch Arbeitsämter, Sozialbehörden, Familienkasse und BaföG-Amt können den Zugriff jederzeit nutzen - auch sie müssen keine Begründung anführen oder die Betroffenen informieren. Jurist Widmaier geht davon aus, dass sich die Ämter ihrer neuen Befugnisse vor allem bei der Durchführung des Hartz-IV-Gesetzes bedienen werden. Empfänger des Arbeitslosengelds II könnten so heimlich überprüft werden, ebenso wie deren Lebenspartner oder Verwandte. Das Gesetz, so Widmaier, "trifft nicht die Reichen, sondern vor allem die kleinen Leute".

DPA
Bundesfinanzminister Hans Eichel mit Geldbörse: Wohlverhalten durch geheimdienstartige Kontrolle erzwingen
Bei genauerer Betrachtung fällt zudem auf, dass Eichels Novelle handwerklich unsauber formuliert ist - viele Fragen bleiben offen. Unklar ist beispielsweise, wie sich das Gesetz auf Geheimnisträger wie Notare auswirken wird. Letztere unterhalten für ihre Mandanten häufig so genannte Treuhand - oder Anderkonten. Diese werden von den Juristen verwaltet, wirtschaftlich berechtigt ist aber der Mandant. Über die Existenz solcher Konten muss der Notar Stillschweigen bewahren, ansonsten macht er sich strafbar. Diese Vertraulichkeit ist demnächst nicht mehr gewährleistet: Über die KEZ-Abfrage lässt sich problemlos herausfinden, wer bei wem Treuhandkonten unterhält. Der Vertrauensberuf Notar und auch andere Professionen werden ganz nebenbei schwer beschädigt.

Und das alles gratis

Was Finanzminister Hans Eichel ebenfalls freuen dürfte: Die lückenlose Überwachung aller 500 Millionen Konten und Depots kostet den Staat praktisch nichts. Die Kosten für die Online-Schnittstellen zur KEZ-Datenbank müssen die Banken selbst tragen. Und das für die Informationsvergabe zuständige Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht wird ebenfalls zu hundert Prozent von den Kreditinstituten finanziert. "Der Bankkunde", so Berbereich, "zahlt seine Überwachung letztlich selbst."

Transparent sollst du sein,

SPIEGEL ONLINE - 19. Januar 2005, 11:23
http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,337285,00.html

Debatte

Transparent sollst du sein, Bürger

Von Frank Patalong

Durch den schnellen Fahndungserfolg im Fall Moshammer ist endlich bewiesen, wofür DNS-Tests gut sein können. Otto Schily will mehr davon, NRW-Innenminister Fritz Behrens kann gar nicht genug davon bekommen. Er fordert: Getestet werden sollte alles vom Ladendieb aufwärts. Wirklich?

Körper-Scan bis auf die Knochen: Immer mehr Politiker wünschen sich gläserne Bürger
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Körper-Scan bis auf die Knochen: Immer mehr Politiker wünschen sich gläserne Bürger
Wenn es nach NRW-Innenminister Fritz Behrens ginge, müssten sich Ladendiebe künftig darauf einrichten, dass man ihnen DNS-Proben abnähme. Natürlich nur, wenn eine Wiederholungsgefahr bestünde, schränkte er im Deutschlandfunk ein - also so gut wie immer. Dann allerdings könne auf eine richterliche Entscheidung, wie sie bisher nötig ist, ruhig verzichtet werden.

Im Klartext: Das Sammeln und die Erfassung von Genmaterialien würde auch in Bezug auf Kleinkriminalität zum täglichen Bestandteil polizeilicher Routinearbeit.

Dass ein SPD-Innenminister so etwas sagen kann, ohne achtkantig aus dem Amt gejagt zu werden, zeigt, wie sehr sich Land und Welt verändert haben in den letzten zwei Jahrzehnten. Noch 1983 scheiterte der Versuch der damaligen Kohl-Regierung, in der BRD eine Volkszählung durchzuführen, an zahlreichen Protesten, Boykottaufrufen und Verfassungsbeschwerden - mitgetragen auch von vielen Grünen, SPD-Mitgliedern und Jusos. Das Schreckgespenst vom "gläsernen Bürger" bewegte Zehntausende. Viele zeigten sich bereit, lieber eine Vorstrafe in Kauf zu nehmen, als dem Staat Neugier über die jährliche Steuererklärung hinaus zu erlauben.

Eigentlich wollen alle

Zweiundzwanzig Jahre später wirkt das aberwitzig und undenkbar - und Innenpolitiker überbieten sich mit Vorschlägen und Plänen, wie man den Bürger endlich völlig transparent bekommen könne: Dass biometrische Merkmale in Pässen, eine stetige Ausweitung der Lauschangriffe und eine zunehmende Erfassung von DNS-Daten dazugehören werden, ist längst beschlossene Sache. Behrens ist da völlig auf Linie seines Parteifreundes Otto Schily.

Lesegerät für Fingerabdrücke: Bald Standard an jeder EU-Grenze, auf jedem Flughafen
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Lesegerät für Fingerabdrücke: Bald Standard an jeder EU-Grenze, auf jedem Flughafen
Der bekommt wegen seiner DNS-Forderungen gerade mächtig Gegenwind auch aus den eigenen Reihen, aber letztlich ist das Teil des Spiels. Solche Prozesse funktionieren wie ein orientalischer Basar: Schily fordert, handelt, feilscht - und wird am Ende mehr bekommen, als seine Gegner ihm zugestehen wollten. Die stete Kompromisssuche zwischen Datenschützern und den Befürwortern größeren staatlichen Wissensdranges höhlt den Datenschutz Jahr um Jahr mehr aus.

Da können einem die einst als Hardliner verschrienen Schönbohms und Becksteins der Republik schon fast leid tun: Auch Bayerns Innenminister trommelt tapfer für eine Ausweitung der Gentests, doch geht seine auf Vernunft gebürstete Argumentation im schrillen "Her damit!"-Chor nahezu unter. Durch DNS-Analysen, begründete er im Bayrischen Rundfunk, warum er im Verbund mit Hessen schon bald mit einer entsprechenden Gesetzesinitiative vorpreschen wolle, ließen sich "Unschuldige entlasten und Schuldige belasten". Sicher, unter anderem.

"Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts"

Sein Chef Edmund Stoiber drängt derweil darauf, dass die Bundesregierung "ihre Blockadehaltung" gegen eine Bundesratsinitiative für mehr DNS-Tests endlich aufgebe. Stoiber wörtlich: "Die DNA-Analyse muss zum Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts werden."

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Da rennt er zumindest in Teilen der SPD offene Scheunentore ein. Schily und Co. denken längst in viel weiteren Rastern. Dass der schnelle Fahndungserfolg im Fall Moshammer jetzt allen Gentest-Befürwortern als Argument für die DNS-Tests dient, ist zwar Blödsinn, aber es ist publikumswirksam. Dass sich per DNS-Analyse eine Täterschaft einwandfrei nachweisen lässt, wenn man über a) den Täter und b) ein DNS-Sample verfügt, weiß man doch spätestens seit der hitzigen Diskussion um Vaterschaftstests.

Schily macht's vor: Der Innenminister lässt seine Iris scannen
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REUTERS
Schily macht's vor: Der Innenminister lässt seine Iris scannen
Nur wenige Tage, nachdem nun der nur vom Vater initiierte DNS-Test verboten wurde, fordern Vertreter von Vater Staat die DNS-Identifizierung von Ladendieben: Vielleicht sollten zweifelnde Papas künftig ihren angeblichen Nachwuchs zum Kaugummiklauen animieren, wenn sie eine Genanalyse wünschen?

Der Zugriff auf die Daten des Bürgers liegt im Trend.

Das Briefgeheimnis bröckelt, seit die Zugriffsrechte des Staates auf elektronische Kommunikation ausgeweitet, die Telekommunikationsdienstleister gar zur Speicherung von Daten über das Kommunikationsverhalten ihrer eigenen Kunden zwangsverpflichtet wurden. Fast unbemerkt fällt Anfang April auch das Bankgeheimnis. Darauf, kleinere Nebenverdienste in der Steuererklärung vergessen zu können, braucht künftig niemand mehr zu hoffen: Die Banken melden Kontostände auf Anfrage an die Ämter. Wann immer und sooft diese das wünschen.

Lauter gute Absichten

Und zwar ungefragt, unbemerkt, automatisch und elektronisch. Zugriffsberechtigt ist nicht nur der Fiskus, sondern sind auch Sozialbehörden und Arbeitsämter. Die zunehmende Vernetzung verschiedenster Datenbanken schafft Möglichkeiten, von denen George Orwell Mitte des letzten Jahrhunderts noch gar nicht albträumen konnte. Hellsichtig aber hatte er durchaus vorhergesehen, dass die Dauerdurchleuchtung des Bürgers in seinem Buch "1984" nicht nur etwas mit totalitärer Kontrolle zu tun hatte, sondern auch mit einer seltsam ambivalenten Hass-Liebe zwischen Beobachter und Beobachtetem. Eigentlich wollen in der Gesellschaft von 1984 alle nur das jeweils Beste für sich oder das Gemeinwesen - was sie auch immer dafür halten.


Zu schnell vergisst man die "Väterlichkeit", die der Gedankenpolizist O'Brien gegenüber dem durchleuchteten, gequälten, am Ende Gehirngewaschenen Winston Smith an den Tag legt. Der sagt am Ende, dass er den "großen Bruder" liebe - schützt ihn der nicht auch vor allen Unbillen inklusive seiner selbst, garantiert er nicht die absolute Ordnung?

Fließend, wollte Orwell uns vermitteln, ist die Grenze zwischen Sicherheit und Kontrolle, die uns den freien Willen nimmt. Genau deshalb sträubte sich doch jahrzehntelang - und zugegebenermaßen oft reflexhaft - gerade die Linke gegen jeden Ansatz von "Big Brother".

NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD): DNS-Test für alle Kleinkriminellen vom Ladendieb aufwärts
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NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD): DNS-Test für alle Kleinkriminellen vom Ladendieb aufwärts
Heute reicht das sermonhaft wiederholte Argument "Sicherheit" zur Begründung weitreichendster Maßnahmen - obwohl in Deutschland die Zahl der Gewaltverbrechen und die Gefährdung öffentlicher Sicherheit niedriger liegen als je zuvor in der Geschichte des Landes. Der Verweis auf die USA und den 11. September, auf diverse Krisenherde in der Welt und die potenzielle Bedrohung des Landes aber reicht, jedes Gegenargument wegzuwischen. Dass der Grüne Volker Beck in der Forderung nach mehr DNS-Tests einen "erheblicher Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung" entdeckt, wirkt da unkonkret und fast schon akademisch versponnen.

Wer hört schon auf Kassandra?

Von der früheren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erwartet man dagegen kaum etwas anderes: Ihre historische Demonstration politischen Rückgrats, als sie im Protest gegen die Lauschangriff-Pläne der letzten Kohl-Regierung von ihrem Ministerposten zurücktrat, hat die Liberale wohl auf Lebenszeit mit dem Thema Datenschutz verhaftet. Wie der Deutsche Anwaltsverein sieht auch Leutheusser-Schnarrenberger in der Speicherung des "genetischen Fingerabdrucks" einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Bürgers - zumindest als polizeiliches Standard-Mittel. Auch die so genannten nicht-codierenden Teile des Genoms enthielten "eine Missbrauchsgefahr". Eine richterliche Anordnung sei weiterhin unverzichtbar.

Für Leutheusser-Schnarrenberger ist die Diskussion um DNS-Tests in der polizeilichen Arbeit nur ein Aspekt einer größeren Debatte. Am Freitag diskutiert der Bundestag in erster Lesung den zweiten Gesetzentwurf zur akustischen Wohnraumüberwachung ("Lauschangriff"), und auch der schmeckt ihr ganz und gar nicht.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht erhebliche Nachbesserungen an den bestehenden Bestimmungen gefordert hatte, war bei den Kritikern zunächst Hoffnung aufgekommen, der neue Entwurf würde milder ausfallen. Die aber, mokierte sich Leutheusser-Schnarrenberger Anfang dieser Woche, war wohl verfehlt: Der Entwurf der Justizministerin Brigitte Zypries sei nicht geeignet, die Hoffnung zu nähren, "dass die Auslegung des Bundesverfassungsgerichts die Tendenz zum autoritären Staat bremsen könnte. Dieser Entwurf ermöglicht jede Wohnraumüberwachung, wenn sie polizeilich sinnvoll ist."

Überblick: Biometrische Verfahren
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DER SPIEGEL
Überblick: Biometrische Verfahren
Doch auch den Gegner fällt es zunehmend schwerer, die von ihnen nicht geliebten neuen Methoden pauschal abzulehnen. Dass DNS-Tests eine "ganz wichtige kriminalistische Methode" darstellen, bezweifelt auch der Grüne Volker Beck gar nicht. Er wendet nur ein, dass die Speicherung der DNS-Daten bei unbescholtenen Bürgern oder bei geringen Straftaten unverhältnismäßig sei. Er wittert eine Kriminalisierung ganzer Bevölkerungsteile, wenn er mahnt, "dass die Unschuldsvermutung hier faktisch ausgehebelt wird".

Irgendwann einmal, auch soviel scheint klar, werden DNS-Daten Bestandteil der identifizierenden Merkmale in Personalpapieren sein. Die bald beginnende flächendeckende Erfassung von Fingerabdrücken ist ein Anfang, der zeigt, wohin es geht. Spätestens 2006 soll der Bundesbürger nur noch mit einem entsprechend ausgerüsteten Pass verreisen.

Doch auch der erntet aus Schilys Sicht zunehmend unwillkommene Kritik. Bürgerrechtsorganisationen wird mulmig, wenn sie an die größte Fingerabdruck-Sammlung der Geschichte denken - und nun beschweren sich auch die Verbraucherverbände. Da kann Schily noch so vehement dementieren: Derzeit kursieren Rechnungen, nach denen neue Pässe ab 2006 Summen zwischen 130 und 300 Euro pro Person kosten werden. Nach Informationen der Grünen plane das Innenministerium, die Mehrkosten für den staatlichen Informationshunger auf den Bürger abzuwälzen - natürlich dementiert das Innenministerium auch das.

Doch auch "positive" Töne kommen aus dem Schily-Ministerium: Offenbar gibt es dort bereits Pläne, neben den Pässen bis 2007 auch die Personalausweise mit Fingerabdrücken und RFID-Chips auszustatten. Der Datenhunger der Staatsschützer scheint unersättlich. Parallel dazu schreitet die internationale Vernetzung von Polizeibehörden fort. Man muss kein Hellseher sein, wenn man dem Geschäft der Verschwörungstheoretiker einen baldigen Boom vorhersagt: Mit einer Themenlage von DNS-Tests über Fingerabdruck-Ausweise, Meldelisten an amerikanische Behörden, der Datenbrücke Banken-Ämter, die Synchronisierung von Einwohnermeldedaten in der EU, RFID-Chips in Supermärkten bis hin zur Möglichkeit der Nummernschilderkennung an deutschen Mautbrücken ist für mächtig viel Munition gesorgt.

Das meiste davon gehört nicht zusammen, aber gerade darum geht es den Kritikern ja: Was wäre, wenn es einmal zusammengebracht würde?


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